Mittwoch, 28. November 2012

KALT


In der letzten Woche hat sich bei mir in Ulan-Ude ein Gefühl von Einsamkeit breit gemacht. Zum ersten Mal wollte ich wirklich einfach nur nach Hause. Ich habe es vermisst mit meinen Freunden auf dem Bett zu liegen und nichts zu tun, oder sich abends gemeinsam schick zu machen und auf eine tolle Nacht im Club zu hoffen. Nachts nach Hause zu kommen und in der Küche von Mama und Papa noch schnell den Rest vom Mittagessen auf einen Teller zu laden, morgens um 6 dann im Bett den Abend Revue-passieren lassen mit lecker persischem Reis.

Von den vielen Straßenhunden hatte ich ja bereits in einem der ersten Blogeinträge erzählt. Wie groß allerdings der Wunsch nach einem eigenen Hund ist, habe ich bisher noch nicht erwähnt. Und so kam es, dass ich Flo mobilisiert habe und wir vor zwei Wochen in ein Tierheim gefahren sind. Mit der Marschrutka ging es bis an den Stadtrand und bei rund minus 20 Grad stand uns noch ein 30 Minütiger Fußmarsch bevor.
Am Tierheim angekommen ging es zunächst darum einen Eingang zu finden, bei dem man nicht sofort von rund 30 Hunden umzingelt wurde. Irgendwann konnten wir durch ein Loch im Zaun eine der beiden Besitzerinnen auf uns aufmerksam machen.
Wir wurden sofort sehr freundlich begrüßt und nach ein paar Minuten hatte ich einen kleinen schwarz-weißen Welpen auf dem Arm. Ich hatte von vorne herein gesagt, dass ich, wenn, dann nur einen kleinen Hund mitnehmen könnte und irgendwo aus einem Holzverschlag wurde dann dieses unglaublich süße Wesen herausgeholt.

Bis ich am nächsten Morgen im Tierheim ankam um sie wieder zurück zu bringen, gingen wir davon aus, dass es sich bei unserem kleinen Goldstück um einen Rüden handelte. Wir nannten ihn Scharik, was auf Russisch mit Bällchen zu übersetzen ist, oder auch Luftballon. Da sie (!) wahnsinnig unterernährt war, blähte sich ihr Bauch nach dem Essen jedes Mal gigantisch auf und es sah so aus, als würde sie jeden Moment abheben.








Allerdings fiel mir zu spät ein, dass ich das Ganze mit meiner Gastmutter hätte besprechen sollen, da ich Scharik ja auch mit zur Arbeit hätte nehmen müssen. Als sie mir dann begründete, warum sie genau das nicht will, setzte ich alles daran, eine Unterkunft während meiner Arbeitszeit zu finden. Leider war das aussichtslos.

Die Kleine lag die ganze Zeit auf meinem Schoß und der unvermeidliche Abschied am nächsten Morgen war wahnsinnig schwer. Nicht nur, weil ich darin versagt hatte mich um sie zu kümmern, sondern weil ich sie wirklich in mein Herz geschlossen hatte.

In den nicht mal vierundzwanzig Stunden bei uns kam ich kaum zum Schlafen, weil sie alle paar Stunden aus den verschiedensten Gründen aus ihrer Kiste raus wollte.
Ich habe ständig den Boden gewischt oder bin mit ihr raus gegangen, und allein das war wirklich eine heftige Erfahrung. So viel Verantwortung für ein Tier hatte ich noch nie, aber der Moment, in dem sie mit aller Kraft auf meinen Schoß geklettert und eingeschlafen ist, war Entschädigung für den ganzen Stress drum herum.

Im Tierheim selbst hat mich dann auch noch einer der Hunde gebissen. Nicht dramatisch, aber drei fette blaue Flecken und ein kleiner Schock war das Ergebnis.

Woran ich bei der ganzen Hundeplanung nicht gedacht hatte war, das mit meiner zukünftigen Vermieterin abzuklären. Da Flo ab dem 20. Dezember überglücklich zurück nach Deutschland fliegt brauche ich eine neue Unterkunft. Über eine gute Freundin meiner Gastmutter bin ich dann vor ein paar Wochen zum Kaffee trinken bei einer Mutter und ihrer 17-jährigen Tochter gelandet. Sie studiert hier in der Stadt, ihre Mutter aber will nach Irkutsk ziehen, aus beruflichen Gründen. Ich würde dann mit ihrer Tochter in einer großen, super zentralen, allerdings etwas lauten Wohnung leben. Beim ersten Treffen hätte ich sie als schüchterne Siebzehnjährige eingeschätzt. Vor einer Woche habe ich sie dann noch mal zu mir eingeladen und fast nicht wieder erkannt. Ich denke wir werden gut miteinander klar kommen.

Inzwischen hole ich die Kinder eigentlich immer mit dem Schlitten aus dem Kindergarten ab. Meistens machen wir noch einen Schlenker am Spielplatz vorbei, der hier auch bei minus 20 Grad noch attraktiv ist.
Interessant in Bezug auf die Kälte ist, dass ich es mir viel schlimmer vorgestellt habe. Das liegt aber an der eher trockenen Luft. Daher können die Leute hier gut mit den Minusgraden umgehen. Das einzig schmerzhafte ist der Wind, den wir Dank der Nähe zum Baikal haben.

Eingekauft wird hier viel auf Märkten. Im Winter sind diese überwiegend überdacht.




Ab und zu bekomme ich von Mama kurze SMS über die ich mich jedes Mal aufs Neue freuen kann.



Ein sehr beliebter Sport ist gerade wenn es noch nicht soooo kalt ist, das Schlittschuhlaufen. Dazu gibt es einige Plätze an denen das Laufenkostenlos ist. Viele Leute hier haben eigene Schlittschuhe und sind auch dementsprechend gut und schnell unterwegs auf dem Eis. Letzte Woche habe ich mich mit Seseg und meinen beiden Mädels aufs Eis gewagt. Allerdings nur in Straßenschuhen, da wir keinen Ausweis dabei hatten und uns deswegen keine Schlittschuhe ausleihen durften.






Ansonsten besteht mein Alltag aus Kochen, Puzzeln, Verstecken oder Fangen spielen, Vater-Mutter- Kind, oder Schlittenfahren.

Das Highlight der letzten Wochen war aber der Ausflug nach Irkutsk mit fünf Freunden.
Nach einem ganzen Haufen Organisation im Voraus, die sich aber nur um die Buchung des Zuges drehte, haben wir uns Freitagabend in den Nachtzug nach Irkutsk gesetzt.




Morgens um halb sechs kamen wir in Irkutsk an und haben uns erst mal zum wach werden in das nächste Kaffee gesetzt. 




Da wurde dann eine Liste gemacht, was wir hier so alles vorhaben:



TO DO:

-Find a hostel/ place to sleep
-Flo needs Shoes
-Daniel needs a jogging suit
-Pia needs a jacket
-Aquarium
-Museum
-Carl-Marks-Boulevard
-Party-hardy
-Restaurant- Domino because of Blini

Bis auf das Städtische Aquarium konnten wir auch alles abhaken.

Nachmittags hatten wir dann auch noch einen Schlafplatz gefunden. Und mussten statt 700 nur 500 Rubel pro Person zahlen. Das sind umgerechnet rund 18 Euro.






Abends sind wir  noch in einen Club gegangen, in dem zwar erschreckend viele alte Leute, aber dafür ein kleiner Electrofloor war. Den habe ich eigentlich nur verlassen um auf die Toilette zu gehen oder meine Freunde zu suchen.
Ich habe die ganze Nacht getanzt und es einfach nur genossen.

Am nächsten Morgen sind die meisten verkatert aufgewacht. Allerdings hatte sich nachts im Suff ein Freund von uns verabschiedet. Da er Freunde in der Stadt hatte und noch nicht schlafen wollte erfuhren wir erst am Nachmittag, was er den ganzen Tag getrieben hatte.







Den Sonntag haben wir dann mit Sightseeing verbracht und sind einfach mal zu Fuß bei minus 11 Grad durch die Stadt gewandert.

Meine Laune ist dann irgendwann ordentlich abgesackt und ich habe mich mit Seseg in einem Internetcafee aufgewärmt.
Nach knapp 20 Minuten kamen die Anderen dann doch auch zurück und wir sind noch etwas essen gegangen. Und dann ging es auch schon wieder zurück zum Bahnhof.

Die Zugfahrt, war das vermutlich eindrucksvollste der ganzen Reise. Wir sind mehr oder weniger auf den billigen Plätzen unterwegs gewesen. Um uns herum saßen eine Menge Männer. Ich habe mich deutlich unwohl gefühlt, beobachtet und voller Sorge um meine Tasche, schlecht geschlafen. Es war kalt und ich kann mich vermutlich beim Zugpersonal für meine Erkältung bedanken. Auf der Rückfahrt wiederum haben wir alle nach Luft zum Atmen (vergeblich) gesucht, so stickig und heiß war es.

Den Sonntag haben wir dann mit Sightseeing verbracht und sind einfach mal zu Fuß bei minus 11 Grad durch die Stadt gewandert.

Meine Laune ist dann irgendwann ordentlich abgesackt und ich habe mich mit Seseg in einem Internetcafe aufgewärmt.
Nach knapp 20 Minuten kamen die Anderen dann doch auch zurück und wir sind noch etwas essen gegangen. Und dann ging es auch schon wieder zurück zum Bahnhof.

Die Zugfahrt, war das vermutlich eindrucksvollste der ganzen Reise. Wir sind mehr oder weniger auf den billigen Plätzen unterwegs gewesen. Um uns herum saßen eine Menge Männer. Ich habe mich deutlich unwohl gefühlt, beobachtet und voller Sorge um meine Tasche, schlecht geschlafen. Es war kalt und ich kann mich vermutlich beim Zugpersonal für meine Erkältung bedanken. Auf der Rückfahrt wiederum haben wir alle nach Luft zum Atmen (vergeblich) gesucht, so stickig und heiß war es.











Seit gestern hüte ich wieder das Bett, aber werde hoffentlich ab Morgen wieder arbeiten können. 

Donnerstag, 22. November 2012

Vorwarnung

Hallo ihr lieben treuen Leser,

heute sind es drei Monate im fernen Sibirien und ich komme seit Tagen nicht dazu einen neuen Blogeintrag zu verfassen. Da ich dieses Wochenende nach Irkutsk reise werdet ihr euch auch noch etwas gedulden müssen.

Ganz liebe Grüße, gerade von der Arbeit (die Kinder halten mich auf Trapp!;) )

Mittwoch, 7. November 2012

Aus der Provinz.


Bis auf mein Gewicht war die letzte Woche eher unter, als überdurchschnittlich.
Angefangen damit, dass ich aufgrund von zu niedrigem Blutdruck und dem Verlust meines Piercings von meinem sicheren Sitzplatz auf dem Badewannenrand nach einem Ohnmachtsanfall aus einem wunderbaren Traum, IN der Badewanne aufgewacht bin. Mein Kopf seit dem mit dem, wohl heftigen Aufprall zu kämpfen hat. Man könnte meinen mir wäre langweilig.

Vor drei Tagen bin ich mit Sack und Pack bei meinem deutschen Freund Flo aufgelaufen. Begleitet von einem netten Taxifahrer, der mir ein Video von seinem 6 jährigen Sohn zeigte und danach meine Handynummer haben wollte habe ich meinen Haushalt bei Rita innerhalb von 30 Minuten komplett aufgelöst. Zugegeben, das ging alles sehr schnell. Um der Reihe nach zu gehen...

Von dem Privatsphäre-Problem meinerseits habe ich ja schon von einiger Zeit erzählt.
Dazu kamen noch ein paar Kleinigkeiten, mit denen ich hätte leben können aber um ein Aufstauen zu vermeiden, war ein Gespräch mit Rita geplant. Dabei sollten mich meine Gastmutter und mein Gastpapa unterstützen, da mein Russisch lange nicht ausreicht, um solche Dinge zu formulieren.
Aus irgendeinem Grund schien Rita aber nicht an einem Gespräch interessiert zu sein und fand immer wieder einen Weg, um dem auszuweichen. Daraufhin rief meine Gastmama sie nach ein paar Tagen an. Das Ergebnis des Telefonates war, dass ich an meiner Wahrnehmung zweifeln musste und gar keine Lust mehr hatte überhaupt noch eine Nacht mit Rita unter einem Dach zu verbringen.
Anstatt eines ruhigen Gesprächs konnte Rita gar nicht mehr aufhören sich über mich zu beschweren. Es schien, als wäre ich die furchtbarste Mitbewohnerin, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Ich hatte meine Schuhe nicht ordentlich geputzt, das Licht im Bad angelassen, ihre Marmelade gegessen und NIE das Geschirr gespült. Das ist noch lange nicht alles denn die Liste, der meiner Meinung nach, absurden Vorwürfe,zieht sich noch in die Länge.

Ich hoffe allerdings nicht mehr lange obdachlos zu sein. In den nächsten Tagen wird hoffentlich ganz Ulan- Ude darüber nachdenken, ob sie sich eine kleine deutsche Blondine als Untermieterin antun wollen. Wobei es mir hauptsächlich um eine feste Bleibe für den Rest der Aupair -Zeit geht. Flo ist wirklich ein super Kerl und hier eigentlich meine Hauptbezugsperson/Gesprächspartner/engster Freund-, dem ich sehr dankbar bin, dass er mich hier so herzlich aufgenommen hat.

Gerade lese ich von Alfred Adler „ Menschenkenntnis“. Zugegeben ich bin noch relativ am Anfang, was daran liegt, dass es kein leichter Stoff ist. Aber interessant ist, dass schon ganz am Anfang der Buchtitel schon als zentrales Thema gehandelt wird, was wiederum zum Nachdenken anregt.
Mit meiner Gastmama habe ich heute über den Zusammenhang zwischen dem russischen Schulsystem und dem Mangel an Empathie gesprochen. Während in Deutschland von der 6. Klasse an das Einfühlungsvermögen in Form von Erörterungen geprüft wird, steht das überhaupt nicht im Lehrplan der russischen Schulen. Vermutlich hat das seinen Ursprung in der Geschichte der Sowjetzeit. Lenin wusste ganz genau, dass die Geisteswissenschaftler eine Gefahr für ihn bedeuten könnten. Daraus folgte eine gezielte Einschränkung des selbstständigen Denkens.
Man sollte sich gar keine Gedanken darum machen, wie es besser sein könnte. Tragisch ist das sich daran noch nichts geändert hat.
Rita tat sich beispielsweise wahnsinnig schwer damit zu verstehen, dass meine Eltern kein Russisch sprechen, als ob es zur Allgemeinbildung gehören würde ein paar Brocken Russisch zu verstehen.
Oder auch bei Kommunikationsschwierigkeiten und dem naheliegenden langsamen Wiederholen des Satzes oder einfacherem Formulieren, wird oft entweder doppelt so schnell oder doppelt so viel gesagt.

Ich muss in diesem Zusammenhang klar sagen, dass Ulan- Ude und die Russen/Buryaten die ich hier kennenlerne vermutlich nicht vergleichbar sind mit den Einwohnern aus größeren Städten Russlands. Wir leben hier in der russischen Provinz und sind sicherlich weit mehr russischen Eigenheiten ausgesetzt, als wir es im fast schon europäischen Moskau oder St. Petersburg wären.
Eine kleine aber wichtige Korrektur zu meinen vergangen Einträgen ist zudem auch, dass meine Aussagen über „die Russen“ nicht auf alle zutrifft, aber doch im Kollektiv meine Beobachtungen sich meist bestätigen.

Die absolute Vorfreude habe ich, dank meiner Reise nach Deutschland am 5. Dezember. Ich werde allerdings nur in Berlin und Hamburg sein. Denn in Hamburg werde ich beiz „Struss und Partner“ sein(http://www.strussundpartner.de/index.php). Dort erwartet mich eine ausführliche Studienberatung und danach habe ich hoffentlich einen etwas genaueren Plan, wie es im Sommer 2013 weiter geht. Außerdem sehe ich meine Mama, die mich zu diesem Termin begleitet. Auf dem Rückweg habe ich noch einen Tag in Berlin Zeit, den ich dann mit ganz vielen tollen Menschen verbringen darf. Obwohl es natürlich gefährlich ist und ich einen erneuten Abschied vor mir habe überwiegt die Vorfreude. Dazu kommt, dass ich mich auch wieder auf zu Hause, in dem Fall Russland, freue!