Mittwoch, 9. Januar 2013

How lucky I am to have something that makes saying goodbye so hard. -Winnie the Pooh


Ich schiebe diesen Eintrag jetzt schon seit Wochen vor mir her. Zunächst war es nur aus Mangel an Zeit und je mehr Zeit vergangen ist desto mehr hätte ich schreiben müssen.

Meine letzten Einträge haben nicht unbedingt von Freude und Zufriedenheit gehandelt.
Das wird auch der Folgende vermutlich nicht. Es liegt allerdings nicht an der Tatsache, dass ich mich hier Grundsätzlich unwohl fühle.
Mit meinem Job als Aupair habe ich vermutlich wirklich großes Glück in einer Familie gelandet zu sein, in der ich mich so wohl fühle. Zu meiner Gastmutter habe ich eine wirklich freundschaftliche Beziehung und bin unendlich dankbar, dass sie hier so eine beständige Bezugsperson ist.
Manchmal nehme ich sie einfach in den Arm und wenn ich nicht von mir aus sage, was mir durch den Kopf geht, dann lässt sie es einfach so stehen und fängt mich irgendwo einfach auf.

Grundsätzlich haben wir ein sehr offenes Verhältnis und ich habe eigentlich keine Bedenken ihr etwas zu erzählen, selbst wenn es persönliche Dinge sind.

Mein Gastpapa hat bisher auf meinem Blog wenig bis gar keine Aufmerksamkeit bekommen, was nicht bedeutet, dass er das in meinem Leben hier nicht tut. Er ist sicherlich ehr der Ruhepol zu Hause, aber trotzdem ein Gesprächspartner und vor allem auch eine Art Lehrer. Ein sehr schlauer und Gebildeter Mann, zu dem ich in gewisser Weise aufschaue.

Die beiden Mädchen sind zwei Glückliche Kinder, die mich vor Herausforderungen stellen, aber so viel Liebe geben. Vermutlich ist das eine Eigenschaft von Kindern die Menschen um sie herum so bedingungslos zu akzeptieren, aber die Beiden zeigen mir das jeden Tag aufs neue.

Ich habe hier angefangen zu verstehen, dass es in Ordnung ist Fehler zu machen. Zum einen, weil die Kinder es verzeihen und zum Anderen, weil die Erwachsenen nur darauf warten, dass ich es beim nächsten Mal besser mache.

Die schwierigen Situationen sind die, in denen die Bemühungen nicht erkannt werden und gewisse Dinge als völlig selbstverständlich gesehen werden.
Ich habe den Eindruck, dass die Menschen hier ein gewisses Misstrauen Fremden gegenüber haben. Und ich würde eigentlich erwarten, dass mir als Fremde hier zugestanden wird nicht immer alles richtig zu machen. Letzten Endes scheint es aber andersherum zu sein. Weil ich aus Deutschland komme wird erwartet, dass ich mich richtig verhalte.

Es ist ein unbekannter Druck, den so ein Misstrauen auslöst. Ich bemühe mich so sehr, aber es scheint Aussichtslos, weil das sowieso keiner sieht.

Ich würde mich als Mensch beschreiben, der durch Bestätigung über sich hinaus wächst.
Auch wenn jemand mir etwas nicht zutraut, dann will ich es beweisen, um am Ende zu hören, dass man sich in mir getäuscht hat.

Viele fragen mich, wieso ich nach Russland gekommen bin. Meine Standard Antwort ist, dass ich mit sechs Jahren angefangen habe Ballet zu tanzen. Mein Lehrer, wie auch die Mädchen mit mir waren Russen. Da auch im Unterricht viel Russisch gesprochen wurde, hatte ich irgendwann das Bedürfnis zu verstehen, was um mich herum gesprochen wird. Und so fing ein steiniger Weg in der Schule an. Ich war nie gut im Russisch Unterricht. Mit meinem Lehrer hatte ich zu kämpfen und war so oft davor aufzugeben. Irgendwann habe ich es tatsächlich. Und habe nach der 11. Klasse Russisch mit einer vier abgewählt.

Es ist nicht meine Art Dinge so fallen zu lassen und mit dem Abitur stand für mich fest, dass ich einen Haken hinter diese Sprache setzen möchte.
Ich wollte es allen beweisen. Vor allem meinem Russisch Lehrer, der mir zumindest nie das Gefühl gegeben hat, dass ich es schaffen kann.

Obwohl ich diese Sprache doch immer so gerne mochte.

Gestern Abend hat mich das Mädchen mit dem ich nach Flo's Auszug zusammen gezogen bin gefragt, ob es eigentlich noch andere Gründe gab hier her zu kommen.
Ich musste eine Weile nachdenken, so das sie mich noch Fragte, ob es mir nur um die Erfahrung ging. Ich fand keine richtige Antwort. Für mich steht nur fest, dass es genau so sein soll.
Obwohl hier alles so anders ist, als ich es mir vorgestellt habe, ständig Prüfungen auf mich zu kommen mit denen ich teilweise wirklich zu kämpfen habe, ist es das wofür ich mich entschieden habe und das bleibt es auch! Ja es ist kalt hier. Und ja ich habe auch bisher noch keinen anständigen Mann getroffen. Es gibt vieles, das mir nicht gefällt. Am Ende werde ich aber trotzdem mit etwas Wehmut nach Hause fahren. Alles was ich habe, ist das was ich daraus mache.

Ich spreche hier weniger, was daran liegen wird, dass ich mich noch nicht so gut Ausdrücken kann wie auf Deutsch oder Englisch. Mein Ventil sind meine Skypetelefonate, die oft bis tief in die Nacht andauern.

Vor ein paar Tagen hatte ich zum ersten Mal seid seinem Auszug wieder richtig Kontakt zu Flo.
Er ist bisher der Einzige Mensch, der wirklich nachvollziehen kann wie es mir hier geht, weil er es mit eigenen Augen gesehen und gelebt hat. Seid seiner Rückreise nach Deutschland scheint es ihm unheimlich gut zu gehen. Er sagt von sich selber, dass er so viel redet, wie im ganzen letzten halben Jahr nicht. Oder isst genüsslich eine Falaffel vor der Kamera, dass mir sogar hier das Wasser im Mund zusammen läuft.

Inzwischen sind es vier Monate hier in dieser anderen Welt. Soziale Netzwerke oder diese wunderbaren Erfindungen wie Skype und E- Mail sorgen dafür, dass ich den Kontakt nach Hause nicht verliere, aber auch nicht wirklich ankomme in meinem neuen Leben.

In Facebook habe ich über 1000 Freunde. Ich kenne jeden. Das ich gelernt habe, was Freundschaft wirklich bedeutet habe ich in den letzten Einträgen schon erzählt. Das ich hier aber eigentlich nur eine gleichaltrige Freundin habe ist wirklich ungewohnt.

Auf der einen Seite lasse ich neue Kontakte nicht zu und klammere mich an die alten und auf der anderen Seite leide ich darunter.
Wieder ein Mal ein Moment, in dem nur ich etwas ändern kann.

Seid zwei Tagen liege ich wieder krank im Bett. Dadurch setze ich mich zwangsläufig wieder mit vielen Dingen auseinander, die ich sonst ganz gerne vor mich weg geschoben habe.
Die ersten Bewerbungen für Praktika in Deutschland habe ich gestern rausgeschickt.
Darauf Folgen Unibewerbungen in Hamburg, Erlangen und Holland. Bisher ist es noch nicht mal klar, ob ich es irgendwo schaffen werde.

Von Mittwoch bis Sonntag hatte ich vier Tage lang Urlaub. Ich war spontan mit der Bahai Gemeinde in einer Art Jugendherberge. Dort habe ich zum ersten Mal ununterbrochen Russisch gesprochen und deutlich erkennbare Fortschritte gemacht.
Da aber die Bahaitexte schon auf deutsch und Englisch wirklich anspruchsvoll sind war es wirklich schwer mich in dieser Hinsicht einzubringen. Deswegen habe ich mit den Kindern gespielt, getanzt, habe Fotos gemacht oder Gesungen, gekocht oder geputzt, Hauptsache irgendwie geholfen.
Die vier Tage waren wirklich schön und haben mir sehr gut getan. Das lag vermutlich daran, dass diese Gemeinschaft unter den Bahais genau so, wie zu Hause war, deshalb sehr vertraut.

Nach meinem letzten Blogeintrag kam ziemlich schnell Weihnachten auf uns zu. Wir hatten ein schönes Fest. Zu Besuch kamen einige Freunde der Familie. Es wurde groß gekocht und ich habe es einfach nur genossen. Das darauf folgende Silvester war weniger spektakulär. Obwohl es zu dem größten Feiertag des Landes gehört, oder vielleicht gerade deswegen, hat es sich als wahnsinnig kompliziert herausgestellt ein schönes Fest zu organisieren und am Ende saß ich mit Arielle (eine Amerikanische Studentin) und Seseg (meine engste Freundin) auf Arielles Sofa. Dort haben wir gegessen und das Feuerwerk angesehen. Um halb eins war ich müde und habe geschlafen.

Gedanklich bin ich viel in der Vergangenheit. Dinge, die ich bisher vor mir hergeschoben habe arbeite ich auf. Der Tod meiner Oma beschäftigt mich sogar Nachts wenn ich schlafe. Aber ich habe das Gefühl, dass ich das brauche. Bald ist es ein Jahr her. Kurz danach habe ich mein ABI geschrieben. Da blieb keine Zeit zu trauern. Obwohl meine Noten wirklich traurig waren.

Jetzt heißt es daraus etwas zu machen. Ich beschäftige mich also viel damit wie es in Deutschland für mich weiter geht. Demnächst werde ich mit meinem Führerschein anfangen.
Wenn ich hier fahren kann, dann in Deutschland mit links.

Außerdem will ich die zugenommenen Kilos der letzten Monate, zumindest aus dem Gesicht wieder wegbekommen und hoffe meine „Gastschwester“ Motivieren zu können mit mir Sport zu machen.