Zurück
in Deutschland. Noch vor neun Monaten hätte ich erwartet, das der
Tag meiner Rückkehr der glücklichste überhaupt werden würde.
Stattdessen muss ich jetzt erst mal wieder aus einem Loch der Trauer
rauskommen und mich hier eingewöhnen. Zu Freunden und Familie
besteht eine Nähe, als wäre ich nie weg gewesen und gleichzeitig
sind wir so weit von einander entfernt, weil wirklich keiner weis was
die letzten Monate aus mir gemacht haben. Es braucht Zeit um sich
wieder nah zu kommen. Ich bin wie immer wieder krank. Nicht zuletzt
weil mich der Abschied psychisch belastet. Aber zunächst will ich
die letzten Wochen in Russland Revue passieren lassen.
Mein
Ziel für das vergangene Jahr war es meine Russischkenntnisse zu
verbessern. Obwohl Bestätigung allein schon jedes Gespräch auf
russisch war wollte ich noch eine Russischprüfung ablegen. Dazu
musste ich dann ordentlich pauken. Ich bin jeden Tag nach der Arbeit
in ein Kaffee gegangen, weil zu Hause zu viel Ablenkung durch Besuche
oder Computer war. Dort habe ich dann intensiv noch 2-4 Stunden
gelernt. Meine Russischlehrerin Jana hat wirklich gute Arbeit
geleistet nicht zu letzt deswegen, weil ich meinen Test für Russisch
B1 auch bestanden habe.
Mit
diesem Diplom kann ich in Russland studieren und bin wirklich mächtig
stolz auf mich. Während der Vorbereitungsphase auf das Examen hatte
ich auch noch alle Hände voll zu tun um meine bevorstehende Abreise
zu organisieren.
Auch von meiner lieblings- Obst und Gemüse Händlerin musste ich mich verabschieden
Geplant
war ein Paket mit Kleidung und Büchern von 20 Kg nach Deutschland zu
schicken. Letzt Endes musste ich alles verschenken, da die Bürokratie
der russischen Post kaum zu überwinden war!- Auf jeden Fall nicht
für mich!
Auch meine Lieblingsmütze musste in Sibirien bleiben!
Am
Samstag vor meiner Abreise haben sich alle Freunde zu einem schönen
Abend versammelt! Wir waren zuerst in einem Kaffee, danach in einer
Bar, anschließend in einem Club und bis in den Vormittag des
nächsten Tages dann noch in der Küche von zwei Freunden. Mal
unabhängig von allen tollen Qualitäten meiner Freunden- sie wissen
wie man richtig feiert!
Meine Mitbewohnerin Valja
Das
ich keinen Alkohol trinke war in Russland überhaupt kein Problem.
Viele haben es mir allerdings nicht sofort geglaubt und dann zunächst
gefragt ob ich denn auch kein Bier trinke, da das auch bis heute noch
nicht wirklich als Alkohol angesehen wird!
Zumindest
in Ulan-Ude haben meine Freunde das russische Wodka Klischee erfüllt!
Wenigstens wurde selten über einen Kater am nächsten Tag geklagt!
Montag
hatte ich dann meinen letzten Arbeitstag! Dienstag hatte ich noch
frei um allerhand zu erledigen und war zum Abendessen noch mit meiner
Gastfamilie in einem Grillhaus. Ich habe bis zum letzten Moment nicht
realisiert, dass das unser letztes gemeinsames Essen war.
Abends
kamen 8 Freunde zu besuch. Wir wollten die Nacht „durch Machen“
und am nächsten Morgen gemeinsam zum Flughafen fahren. Ich hatte
während der letzten zwei Monate in Russland noch einen Freund. Der
konnte sich allerdings nicht wirklich für mich entscheiden und
obwohl er zu diesem Zeitpunkt wieder mit seiner Exfreundin zusammen
war kam er noch in derselben Nacht um sich zu verabschieden. Er ist
wirklich ein toller Kerl, aber eine Zukunft haben wir nicht zusammen.
Und egal wie naiv ich immer wieder sein kann, ist mir das doch auch
bewusst. Die ganze Sache ist natürlich alles in allem etwas
komplizierter.
Abschied am Flughafen
Doch
inzwischen vermisse ich nicht nur ihn, sondern auch unsere „Freunde“
aus St. Petersburg. Mittwoch ging es nämlich nicht direkt zurück
nach Deutschland sondern in Russlands „zweite Hauptstadt“.
Zusammen mit meiner amerikanischen Freundin Arielle sind wir vom
Flughafen mit Bus und Metro in unser zentrales und günstiges Hostel
gefahren. Das war eine ganz schöne Tortur, da mein Koffer allein
rund 31 Kg wog.
Wir
hatten ein Zimmer mit einem 35 jährigen Ingenieur und einem 22
jährigen Studenten, beide aus Russland. Außerdem arbeiten in dem
Hostel zwei junge Rezeptionisten mit denen wir uns auch auf Anhieb
gut verstanden haben. In einem anderen Zimmer lebten ein Musiker, ein
Dichter weitere Studenten und deutsche Touristen. Entweder haben wir
alle zusammen Ausflüge gemacht, Filme geschaut oder zusammen gekocht
und gelacht.
Allein
wegen unserer kleinen „Hostelfamilie“ war es eine wirklich
gelungene Woche! Meine Freundin Arielle kannte sich in der Stadt
schon aus, da sie selbst schon vier Monate dort gelebt hatte. Sie hat
mich rumgeführt und wir haben uns die Füße platt gelaufen. Mir zu
liebe ist sie sogar an einem Abend noch mit mir in einen Club
gegangen. Dort haben wir zwei 18 Jährige St. Petersburger kennen
gelernt mit denen wir uns auch anschließend noch zwei Mal getroffen
haben! Ganz nette Jungs, die mir schon angekündigt haben mich in
Deutschland zu besuchen!
Arielle: FUN, FUN,FUN
Ein Kanal bei Nacht
Metro
Die Auferstehungslirche
Donnerstagmorgen
bin ich dann in mein Flugzeug nach Köln gestiegen. Dort wurde ich
mit lautem: „ Pia, Pia, Pia, Pia....“ am Flughafen von meinen
Eltern, Schwestern, Nichten und Neffen erwartet. Es war ein schönes
nach Hause kommen. Total übermüdet ging es dann im Miet-Wohnmobil
meiner Eltern zu meiner Schwester bei der wir ein leckeres
Mittagessen und wenige Stunden zusammen hatten, denn zum Abendessen
waren wir noch bei meinem Opa zu Besuch.
Freitagmorgen
ging es dann endlich zurück nach Freiburg.
Kurz
nach unserer Ankunft kam schon meine Freundin Kerstin zu Besuch. Ich
brauchte eine halbe Ewigkeit um etwas Passendes zum Anziehen zu
finden. Einen Kleiderschrank voller Sachen, das hat erst mal für
Überforderung gesorgt!
Überhaupt
die Fülle an Dingen um mich herum war mehr Schock, als Genuss. Ich
musste im vergangenen Jahr mit so viel weniger klar kommen, gerade in
meiner Wohnung, die im Gegensatz zu der meiner Gastfamilie eher
russisch eingerichtet war. Ich denke es war eine wichtige Erfahrung,
allein um zu sehen was man alles zum glücklich sein (nicht) braucht.
Das
ist vermutlich die wichtigste Erkenntnis aus den vergangenen Monaten:
Egal wo du bist, für dein Glück bist du selbst verantwortlich!
Es
gibt ein russisches Sprichwort: „Es
ist immer dort schön, wo wir gerade nicht sind.“
Wie
wahr.
Ich
hoffe auf viele neue Chancen hier in Deutschland, eine baldige Reise
nach Russland, ein Wiedersehen mit allen Freunden und vielleicht
sogar ein Leben im nahen Russland.
Es
braucht Zeit um diese Fülle von Eindrücken zu verarbeiten und auch
sie in Worte zu packen, aber jetzt genieße ich erst einmal das
Wiedersehen mit Familie und Freunde und vielleicht hört ihr ja bald
wieder von mir! Von einem neuen Abenteuer.
Vielen
Dank für alle, die mich in diesen neun Monaten in Sibirien begleitet
haben.