Sonntag, 3. März 2013

Pringles.


Gerade sitze ich auf der Fensterbank unserer Küche, kann es kaum glauben, dass wir in Sibirien die Plusgrade pünktlich mit Frühlingsanfang (hier am 01.03). Inzwischen beginnt der Schnee zu schmelzen und bei einem Blick aus dem Fenster überwiegen die Grautöne.
Die großen Abstände zwischen meine Blogeinträgen zeigen, dass mir in der letzten Zeit die Ruhe gefehlt hat das geschehene in Worte zu fassen. Dabei gibt es so viel zu erzählen. Meine Erfahrungen in der Fahrschule, der Besuch meiner Eltern und was sonst noch so passiert ist.

Am 12.01. hatte meine beste Freundin hier (Seseg) Geburtstag. Wir haben ihr eine Geschekekiste mit einer Menge Reiseutensilien zusammengestellt und ich habe noch mit Unterstützung meiner Gastmama einen Kuchen für sie gebacken. Da Amerika das Land ihrer Träume zu sein scheint lief der Abend unter dem Motto: Live you're dream!
Wir waren in einem neueren Club der Stadt und mein Herz hat bei der Musik höher geschlagen.


Vor ein paar Wochen war ich dann auch noch auf dem Geburtstag eines Freundes eingeladen.

Die Zahl meiner Freunde beschränkt sich hier auf rund fünf. Trotz der vielen netten Menschen fällt es mir schwer neue Kontakte zu knüpfen, was sicherlich auch an der Situation als Aupair liegt, weil man sich in der Regel nicht in einem sozialen Umfeld von Gleichaltrigen bewegt. Trotzdem wird von Woche zu Woche der Gedanke an einen Abschied von diesen Leuten wirklich schwerer.


Zurück zum Geburtstag. Das Geburtstagskind hat uns zum Chinesen eingeladen. Nebenbei ist zu bemerken, dass das Essen super lecker war. Er hatte einen kleinen Raum gemietet in dem rund 20 Leute Platz fanden. Ich saß also an einem Tisch mit 19 Burijaten. Das war das erste Mal, dass wirklich kein Russe dabei war. Typisch für russische Geburtstage ist nicht nur Wodka, sondern auch die Reden der Gäste. Da mein Russisch inzwischen besser ist wurde also auch ich aufgefordert eine Rede zu halten. Dabei stellte sich heraus, dass ich die Wörter Glück und Freude nicht kannte. Dank eines Freundes der der englischen Sprache mächtig war habe ich das dann auch irgendwie noch überwunden.Anschließend ging es noch in einen Club, den ich allerdings nach einer Stunde auch wieder verlassen habe, weil mein Mitbewohner ohne Schlüssel vor der Tür stand. Trotzdem hat es sich gelohnt, alle waren super freundlich und es war ein sehr schöner Abend.




Ein paar Tage später ging es auf einen Ausflug mit ausländischen Studenten der Uni in die Grenzstadt zur Mongolei Kyachta.



 Gemeinsam mit einer Freundin, die eigentlich unfreiwillig mitgegangen ist, haben wir uns einen schönen Tag gemacht. Die fünfstündige Hin- und Rückfahrt mit guter Musik und Spracherweiterung verkürz,t und bei minus 40 Grad zum ersten Mal zu viel bekommen. Ich weiß jetzt, wirklich kalt ist es, wenn ich mein Handy nicht mal mehr mit der Nase bedienen kann.
Im städtischen Museum haben wir uns durch eine Menge ausgestopfte Tiere, aber auch durch die Geschichte der Buriaten mehr oder weniger gequält. Da es ein Uniausflug war wurden wir im Museum von 4 Klassen des städtischen Gymnasiums überrascht. Diesen wurde unsere Universität vorgestellt und wir als Ausländer sollten etwas Werbung machen. Da keiner fehlerfrei Russisch spricht war die Hemmschwelle groß, aber am Ende haben doch einige etwas erzählt. Ein chinesischer Student hat beispielsweise berichtet, dass ihm die Frauen hier besonders gut gefallen. Und ich konnte nur wiederholen, wie kalt es ist! Interessant war für mich aber auch zu sehen, wie gut oder weniger gut mein Russisch inzwischen ist, da wir alle gleich lang in Russland sind stand ein Vergleich nahe. Und ich würde mal behaupten, dass ich mich ganz gut mache. Somit komme ich meinem Ziel die Sprache zu lernen immer näher.
Während der langen Fahrten und den vielen Schlaglöchern haben es die überwiegend asiatischen Studenten tatsächlich geschafft zu schlafen. Sind aber von Schlagloch zu Schlagloch immer wieder hochgeschreckt weil sie mit dem Kopf bis an die Knie gestoßen sind. Ich hatte meinen Spaß, kann mir aber nicht vorstellen, dass es ein erholsamer Schlaf war!
In Ulan- Ude kamen wir erst wieder spät abends an. Die Stadt war hellbeleuchtet und ich war einfach nur glücklich. Bei Nacht sind sich alle Städte doch irgendwie ähnlich.

Meine Wohnsituation hat sich erheblich verbessert. Abgesehen davon dass der Bruder meiner Mitbewohnerin noch nicht ganz zu wissen scheint, wie man eine Toilette ordentlich hinterlässt fühle ich mich hier wirklich wohl. Ich habe meine Ruhe, aber verstehe mich doch auch gut mit allen.
Gerade meine Mitbewohnerin (Valja)ist anfangs sehr viel auf mich zugekommen und hat mir damit sehr geholfen. Wir sitzen öfters zusammen und reden einfach über alles.
Hier lebe ich zum ersten Mal wirklich selbstständig. Wir putzen, kochen, waschen und es läuft wirklich gut. Ich spreche mich mit Valja ab, aber vieles läuft auch einfach selbstständig!

Mein Lieblingsplatz ist wirklich das Fensterbrett. Obwohl die Temperaturen draußen zum Teil bei minus vierzig Grad liegen, haben wir hier super viel Sonne, die sich hier am besten genießen lässt.

Wie angekündigt habe ich hier eine Fahrschule aufgesucht und bin auch fleißig drei Mal die Woche Morgens von 9-12 Uhr zum Theorieunterricht erschienen. Als sich aber dann herausgestellt hat, dass es nicht bei den neun Wochenstunden bleibt, sondern noch mindestens neun Stunden Praxisunterricht dazu kommen, bin ich trotz Anzahlung nicht mehr hin gegangen. Da ich zu Hause auch noch Hausaufgaben, plus Vokabeln lernen muss wäre ich einfach zu sehr eingespannt. Auch wenn es wirklich reizvoll ist mit einem Führerschein, wieder zurück nach Deutschland zu kommen, denke ich, war es die richtige Entscheidung.



Meine Freundin, mit der ich zusammen angefangen habe bestätigt meine Entscheidung nur durch ihr „Gejammer“, weil sie kaum Zeit hat.- Da soll noch mal einer sagen, der Führerschein in Russland entspricht dem deutschen Standard nicht!

Meine Eltern habe ich am Morgen vom 07.2. am Flughafen abgeholt. Weil sie als Letzte aus dem Flugzeug kamen konnte ich sie erst nach einem Schreck in die Arme nehmen-ich hatte vermutet, dass sie den Flieger in Moskau vielleicht verpasst haben. Was ist wenn sie also doch nicht in dem Flugzeug sitzen?!

Beide kamen mit neuen Winterjacken und angeschlagen bei minus 40 Grad an. Das Mama nicht nur angeschlagen war zeigte sich dann in den nächsten Tagen. Sie konnte hauptsächlich nur im Bett liegen und ich meine Freude über die Anreise in Hühnersuppe ausdrücken.
Ab der zweiten Nacht hatten sie eine nette kleine Wohnung für sich, die dann zu meinem zweiten zu Hause wurde. Eine Nacht musste der Boden und Jacken als Bett hinhalten, Hauptsache war die Zeit zu nutzen. 

Aus verschiedenen gesundheitlichen Gründen musste in einer Nacht auch die Notärztin in die Wohnung kommen. Anschließend ging es ins Krankenhaus- Diagnose: beginnende Lungenentzündung.
Die Notärztin war wirklich ein Engel. Und auch noch die nächsten drei Tage jeder Zeit telefonisch für uns zu erreichen.
Als es Mama dann langsam etwas besser ging, konnten wir auch noch kleine Ausflüge machen.
Für mich war es eine super eigenartige Erfahrung, dass meine Eltern mich besuchen kommen. So sehr ich mich auch gefreut habe. Mir wurde deutlich, dass ich einen Schritt in Richtung Erwachsenwerden gemacht habe. Damit einen Schritt weg von meinen Elten.

Anfangs dachte ich der Abschied nach acht Tagen würde mir wahnsinnig schwer fallen, aber ich kam erstaunlich gut damit klar. Der Alltag ging schließlich weiter.
Da ich mir glücklicher Weise frei nehmen konnte, als meine Eltern zu Besuch waren, fing also nach acht Tagen wieder der Arbeitsalltag an. 

Im Koffer meiner Eltern gab es dann noch ein paar Mitbringsel aus Deutschland. Unteranderem einen Brief von meinem Lieblingsnachbar und den Teddy-Jackson (in Erinnerung an meine Lieblingsbar die Jackson Pollock) von meiner Freundin Kerstin! VIELEN DANK DAFÜR!




Nebenbei haben wir (Seseg und ich ) noch an einem Tag eine Gruppe Deutscher, die auf der Durchreise waren, durch unser "Städtchen" geführt. Haben eine super nette Bar ausfindig gemacht (einen IRISH PUB). Und ich habe einen netten Kerl kennen gelernt. Das hat sich aber dann relativ schnell wieder erledigt, als es mich alle zwei Stunden per SMS gefragt hat was ich mache.

Da ist mir meine Freiheit dann doch zu wichtig!

Allerdings ist das auch eine Kulturfrage, denn eine Russin, die nicht umworben wird sorgt sich um mangelndes Interesse und ist deswegen unglücklich. Der Liebste kann zwar nichts dafür, dass ich eine Deutsche bin, aber das muss wirklich nicht sein.

Auf der Arbeit bin ich immer wieder auf der Suche nach Programm für die Kinder. Mein persönliches Highlight war unser Zirkustag, an dem wir eine Zirkusaufführung geprobt, ein Plakat gemalt, Süßigkeiten eingekauft und anschließend vor den Eltern eine 3 Minuten Aufführung hatten.

Essen und Trinken darf ich für zwanzig Tage im Moment nur vor sonnen Auf und Untergang, da vom 2.-20 März die Fastenzeit bei den Bahais ist. Ich habe mich so sehr darauf gefreut, dass ich sogar einen Tag vorher angefangen habe. Obwohl es mir die letzten Jahre immer wahnsinnig schwer gefallen ist, habe ich jetzt überhaupt kein Problem damit. Aber ich habe ja auch noch ein paar Tage vor mir!

Vor knapp drei Wochen ist eine junge Österreicherin hier angekommen. Sie wird bis Mitte Juni hier sein und als Lehrerin an der Uni arbeiten. Weil sie heute Abend zum "Fastenbrechen" zu Besuch kommt muss ich jetzt auch wieder Schluss machen. Ich lasse mit dem nächsten Blogeintrag aber nicht wieder so lange auf mich warten!- VERSPROCHEN.


PS: Über SKYPE Dates freue ich mich immer wieder! Ab und zu, gibt es dann auch Mal lustige Ergebnisse..<3



(das ist eine Hand;) )


Mittwoch, 9. Januar 2013

How lucky I am to have something that makes saying goodbye so hard. -Winnie the Pooh


Ich schiebe diesen Eintrag jetzt schon seit Wochen vor mir her. Zunächst war es nur aus Mangel an Zeit und je mehr Zeit vergangen ist desto mehr hätte ich schreiben müssen.

Meine letzten Einträge haben nicht unbedingt von Freude und Zufriedenheit gehandelt.
Das wird auch der Folgende vermutlich nicht. Es liegt allerdings nicht an der Tatsache, dass ich mich hier Grundsätzlich unwohl fühle.
Mit meinem Job als Aupair habe ich vermutlich wirklich großes Glück in einer Familie gelandet zu sein, in der ich mich so wohl fühle. Zu meiner Gastmutter habe ich eine wirklich freundschaftliche Beziehung und bin unendlich dankbar, dass sie hier so eine beständige Bezugsperson ist.
Manchmal nehme ich sie einfach in den Arm und wenn ich nicht von mir aus sage, was mir durch den Kopf geht, dann lässt sie es einfach so stehen und fängt mich irgendwo einfach auf.

Grundsätzlich haben wir ein sehr offenes Verhältnis und ich habe eigentlich keine Bedenken ihr etwas zu erzählen, selbst wenn es persönliche Dinge sind.

Mein Gastpapa hat bisher auf meinem Blog wenig bis gar keine Aufmerksamkeit bekommen, was nicht bedeutet, dass er das in meinem Leben hier nicht tut. Er ist sicherlich ehr der Ruhepol zu Hause, aber trotzdem ein Gesprächspartner und vor allem auch eine Art Lehrer. Ein sehr schlauer und Gebildeter Mann, zu dem ich in gewisser Weise aufschaue.

Die beiden Mädchen sind zwei Glückliche Kinder, die mich vor Herausforderungen stellen, aber so viel Liebe geben. Vermutlich ist das eine Eigenschaft von Kindern die Menschen um sie herum so bedingungslos zu akzeptieren, aber die Beiden zeigen mir das jeden Tag aufs neue.

Ich habe hier angefangen zu verstehen, dass es in Ordnung ist Fehler zu machen. Zum einen, weil die Kinder es verzeihen und zum Anderen, weil die Erwachsenen nur darauf warten, dass ich es beim nächsten Mal besser mache.

Die schwierigen Situationen sind die, in denen die Bemühungen nicht erkannt werden und gewisse Dinge als völlig selbstverständlich gesehen werden.
Ich habe den Eindruck, dass die Menschen hier ein gewisses Misstrauen Fremden gegenüber haben. Und ich würde eigentlich erwarten, dass mir als Fremde hier zugestanden wird nicht immer alles richtig zu machen. Letzten Endes scheint es aber andersherum zu sein. Weil ich aus Deutschland komme wird erwartet, dass ich mich richtig verhalte.

Es ist ein unbekannter Druck, den so ein Misstrauen auslöst. Ich bemühe mich so sehr, aber es scheint Aussichtslos, weil das sowieso keiner sieht.

Ich würde mich als Mensch beschreiben, der durch Bestätigung über sich hinaus wächst.
Auch wenn jemand mir etwas nicht zutraut, dann will ich es beweisen, um am Ende zu hören, dass man sich in mir getäuscht hat.

Viele fragen mich, wieso ich nach Russland gekommen bin. Meine Standard Antwort ist, dass ich mit sechs Jahren angefangen habe Ballet zu tanzen. Mein Lehrer, wie auch die Mädchen mit mir waren Russen. Da auch im Unterricht viel Russisch gesprochen wurde, hatte ich irgendwann das Bedürfnis zu verstehen, was um mich herum gesprochen wird. Und so fing ein steiniger Weg in der Schule an. Ich war nie gut im Russisch Unterricht. Mit meinem Lehrer hatte ich zu kämpfen und war so oft davor aufzugeben. Irgendwann habe ich es tatsächlich. Und habe nach der 11. Klasse Russisch mit einer vier abgewählt.

Es ist nicht meine Art Dinge so fallen zu lassen und mit dem Abitur stand für mich fest, dass ich einen Haken hinter diese Sprache setzen möchte.
Ich wollte es allen beweisen. Vor allem meinem Russisch Lehrer, der mir zumindest nie das Gefühl gegeben hat, dass ich es schaffen kann.

Obwohl ich diese Sprache doch immer so gerne mochte.

Gestern Abend hat mich das Mädchen mit dem ich nach Flo's Auszug zusammen gezogen bin gefragt, ob es eigentlich noch andere Gründe gab hier her zu kommen.
Ich musste eine Weile nachdenken, so das sie mich noch Fragte, ob es mir nur um die Erfahrung ging. Ich fand keine richtige Antwort. Für mich steht nur fest, dass es genau so sein soll.
Obwohl hier alles so anders ist, als ich es mir vorgestellt habe, ständig Prüfungen auf mich zu kommen mit denen ich teilweise wirklich zu kämpfen habe, ist es das wofür ich mich entschieden habe und das bleibt es auch! Ja es ist kalt hier. Und ja ich habe auch bisher noch keinen anständigen Mann getroffen. Es gibt vieles, das mir nicht gefällt. Am Ende werde ich aber trotzdem mit etwas Wehmut nach Hause fahren. Alles was ich habe, ist das was ich daraus mache.

Ich spreche hier weniger, was daran liegen wird, dass ich mich noch nicht so gut Ausdrücken kann wie auf Deutsch oder Englisch. Mein Ventil sind meine Skypetelefonate, die oft bis tief in die Nacht andauern.

Vor ein paar Tagen hatte ich zum ersten Mal seid seinem Auszug wieder richtig Kontakt zu Flo.
Er ist bisher der Einzige Mensch, der wirklich nachvollziehen kann wie es mir hier geht, weil er es mit eigenen Augen gesehen und gelebt hat. Seid seiner Rückreise nach Deutschland scheint es ihm unheimlich gut zu gehen. Er sagt von sich selber, dass er so viel redet, wie im ganzen letzten halben Jahr nicht. Oder isst genüsslich eine Falaffel vor der Kamera, dass mir sogar hier das Wasser im Mund zusammen läuft.

Inzwischen sind es vier Monate hier in dieser anderen Welt. Soziale Netzwerke oder diese wunderbaren Erfindungen wie Skype und E- Mail sorgen dafür, dass ich den Kontakt nach Hause nicht verliere, aber auch nicht wirklich ankomme in meinem neuen Leben.

In Facebook habe ich über 1000 Freunde. Ich kenne jeden. Das ich gelernt habe, was Freundschaft wirklich bedeutet habe ich in den letzten Einträgen schon erzählt. Das ich hier aber eigentlich nur eine gleichaltrige Freundin habe ist wirklich ungewohnt.

Auf der einen Seite lasse ich neue Kontakte nicht zu und klammere mich an die alten und auf der anderen Seite leide ich darunter.
Wieder ein Mal ein Moment, in dem nur ich etwas ändern kann.

Seid zwei Tagen liege ich wieder krank im Bett. Dadurch setze ich mich zwangsläufig wieder mit vielen Dingen auseinander, die ich sonst ganz gerne vor mich weg geschoben habe.
Die ersten Bewerbungen für Praktika in Deutschland habe ich gestern rausgeschickt.
Darauf Folgen Unibewerbungen in Hamburg, Erlangen und Holland. Bisher ist es noch nicht mal klar, ob ich es irgendwo schaffen werde.

Von Mittwoch bis Sonntag hatte ich vier Tage lang Urlaub. Ich war spontan mit der Bahai Gemeinde in einer Art Jugendherberge. Dort habe ich zum ersten Mal ununterbrochen Russisch gesprochen und deutlich erkennbare Fortschritte gemacht.
Da aber die Bahaitexte schon auf deutsch und Englisch wirklich anspruchsvoll sind war es wirklich schwer mich in dieser Hinsicht einzubringen. Deswegen habe ich mit den Kindern gespielt, getanzt, habe Fotos gemacht oder Gesungen, gekocht oder geputzt, Hauptsache irgendwie geholfen.
Die vier Tage waren wirklich schön und haben mir sehr gut getan. Das lag vermutlich daran, dass diese Gemeinschaft unter den Bahais genau so, wie zu Hause war, deshalb sehr vertraut.

Nach meinem letzten Blogeintrag kam ziemlich schnell Weihnachten auf uns zu. Wir hatten ein schönes Fest. Zu Besuch kamen einige Freunde der Familie. Es wurde groß gekocht und ich habe es einfach nur genossen. Das darauf folgende Silvester war weniger spektakulär. Obwohl es zu dem größten Feiertag des Landes gehört, oder vielleicht gerade deswegen, hat es sich als wahnsinnig kompliziert herausgestellt ein schönes Fest zu organisieren und am Ende saß ich mit Arielle (eine Amerikanische Studentin) und Seseg (meine engste Freundin) auf Arielles Sofa. Dort haben wir gegessen und das Feuerwerk angesehen. Um halb eins war ich müde und habe geschlafen.

Gedanklich bin ich viel in der Vergangenheit. Dinge, die ich bisher vor mir hergeschoben habe arbeite ich auf. Der Tod meiner Oma beschäftigt mich sogar Nachts wenn ich schlafe. Aber ich habe das Gefühl, dass ich das brauche. Bald ist es ein Jahr her. Kurz danach habe ich mein ABI geschrieben. Da blieb keine Zeit zu trauern. Obwohl meine Noten wirklich traurig waren.

Jetzt heißt es daraus etwas zu machen. Ich beschäftige mich also viel damit wie es in Deutschland für mich weiter geht. Demnächst werde ich mit meinem Führerschein anfangen.
Wenn ich hier fahren kann, dann in Deutschland mit links.

Außerdem will ich die zugenommenen Kilos der letzten Monate, zumindest aus dem Gesicht wieder wegbekommen und hoffe meine „Gastschwester“ Motivieren zu können mit mir Sport zu machen.




Mittwoch, 12. Dezember 2012

Es ist nicht alles Gold, was glänzt!


Wie im Rausch sind die Tage in Deutschland vergangen.
Alles begann mit einer wirklich anstrengenden Anreise nach Berlin. Dort angekommen schossen mir die unterschiedlichsten Gedanken in den Kopf. Ich wollte letztendlich wirklich nur zu meiner Mama, war nervlich am Ende und todmüde. Als ich dann nach knapp 24 Stunden in Hamburg am Bahnhof ankam, meine Mama in den Arm nehmen konnte, wollte ich nur noch weinen. Es war einfach ein wahnsinnig unrealistisches Gefühl, tatsächlich meiner Mutter gegenüberzustehen oder sie nach Lust und Liebe in den Arm zu nehmen.

Am nächsten Morgen kam direkt ein guter Freund zu Besuch in unser Hotel zum Frühstück. Danach wurde Hamburgs Innenstadt ausführlich genossen und der ein oder andere Euro liegen gelassen. Da die Läden in Ulan- Ude nicht sonderlich meinen Geschmack treffen, war das wie im Paradies.

Am Tag drauf ging es zu „Struss und Partner“, der eigentliche Grund für die Reise in die Heimat. Dort wurden wir schon am Eingang superfreundlich begrüßt. Nach einer kurzen Einführung fand ich mich in einem kleinen Zimmer mit Schreibtisch, Süßigkeiten, Getränken und einer menge Arbeit wieder.
Ich sollte nun Persönlichkeitstests, Interessentests und IQ Tests machen. Zwischendurch hatte ich noch ein langes Gespräch, indem ich viel über mich als Mensch preisgab. Gegen 16 Uhr kam meine Mama dazu und wir erfuhren die Ergebnisse meiner Tests und mehr über die Einschätzung meiner Person.

Es war interessant von einer im Grunde völlig fremden Person ein so zutreffendes Persönlichkeitsprofil erstellt zu bekommen. Ich konnte in keinem Punkt widersprechen.
In meinem Wunsch Psychologie zu studieren wurde ich bestätigt. Und hatte sogar die Empfehlung für die Medical -School Hamburg und eine Menge anderer Informationen und Optionen in einem Ordner zusammengesammelt bekommen. Die Medical School bietet den Studiengang angewandte Psychologie an, ist allerdings kostenpflichtig und deswegen bedeutet es harte Arbeit um dort einen Studienplatz zu bekommen.

Am Tag darauf ging es schon morgens von Hamburg zurück nach Berlin. Meiner Mama winkte ich aus dem Zug noch kurz zu. Das Weinen habe ich erst später nachgeholt, da wir uns vorgenommen haben Tränen zu vermeiden. In Berlin wurde ich dann von einer guten Freundin abgeholt. Wir aßen Sushi, tranken Tee und hatten ganz viel Zeit zu reden. Es war ein sehr schönes Wiedersehen nach langer Zeit. Danach traf ich einen alten Schulfreund, einer meiner längsten und treusten Freunde. Wir fuhren mit seinem Auto in die Stadt und machten uns auf die Suche nach einem neuen Piercing für mich. Wir hatten viel Spaß, aber auch die Zeit mit ihm war leider viel zu kurz. Gegen Abend besuchte ich dann eine gute Freundin im Krankenhaus. Eigentlich war unser Treffen deutlich anders geplant, aber wir hatten trotzdem ein paar nette Stunden zusammen. Anschließend ging es zu ihren Mitbewohnern in die WG. Mit ein paar Freundinnen, der beiden Jungs solle ich die Partyszene Berlins kennenlernen. Wir scheiterten allerdings schon an der ersten Türsteherin. Nach dem zweiten Versuch und kalten Füßen entschieden wir uns dann doch auf den Rückweg zu machen. Da es schon langsam wieder morgen wurde, hieß es nach einer schlaflosen Nacht auch schon schnell wieder Abschied nehmen von Deutschland.

Ich machte mich morgens auf den Weg zum Flughafen Berlin Tegel, mit einem 28 Kg schweren Koffer plus Reisetasche kämpfte ich mich durch den Schnee zur U-Bahnstation. Total übermüdet stand ich irgendwann in Moskau vor einem Mitarbeiter der Fluggesellschaft und bettelte ihn an, mir das Übergewicht von 8Kg durchgehen zu lassen, doch der Mann kannte kein Erbamen. Ein paar Kilo konnte ich noch im Handgepäck unterbringen und musste letzten Endes nur 2Kg Übergewicht zahlen.
Schon in diesem Moment vermisste ich Deutschland, dank des netten Mitarbeiters in Berlin, der mich keinen Cent zahlen lassen hat und sich sogar noch um einen Fensterplatz für mich gekümmert hat.

Die letzten Tage sind durchzogen von Bauchweh und der Sehnsucht nach zu Hause.
Flo bereitet sich jeden Tag ein bisschen mehr auf die lang ersehnte Heimreise vor. Und ich werde mich stück für Stück wieder aus diesem Loch rausholen müssen, in das ich jetzt gefallen bin.

Mein Fazit der Deutschlandreise ist leider, dass egal wie toll die fünf Tage waren, das womit man danach zu kämpfen hat steht in keinem Verhältnis und ich kann nur ans Herz legen es mir nicht gleich zu tun.

Trotzdem möchte ich mich bei allen treuen Freunden bedanken für die schönen Stunden und ganz besonders bei meiner Mama- einfach für alles!

Samstag, 1. Dezember 2012

"Filmstar!"

Hier das versprochene Video, von unserem Filmdreh vor einigen Wochen.

Dazu muss ich sagen, dass die Übersetzung ins Russische nicht besonders gut ist und ich mir den Text nicht selbst ausgedacht habe!

Grundsätzlich geht es um die Bedeutung der Denkmäler in der Stadt. Was genau ich damit zu tun habe?!- Keine Ahnung!

FILM AB:  ( leider hier nur der Dropboxlink, da die Datei zu groß ist)



https://www.dropbox.com/sh/xblvpiinzx884l4/0ZnrKy7RV_





Mittwoch, 28. November 2012

KALT


In der letzten Woche hat sich bei mir in Ulan-Ude ein Gefühl von Einsamkeit breit gemacht. Zum ersten Mal wollte ich wirklich einfach nur nach Hause. Ich habe es vermisst mit meinen Freunden auf dem Bett zu liegen und nichts zu tun, oder sich abends gemeinsam schick zu machen und auf eine tolle Nacht im Club zu hoffen. Nachts nach Hause zu kommen und in der Küche von Mama und Papa noch schnell den Rest vom Mittagessen auf einen Teller zu laden, morgens um 6 dann im Bett den Abend Revue-passieren lassen mit lecker persischem Reis.

Von den vielen Straßenhunden hatte ich ja bereits in einem der ersten Blogeinträge erzählt. Wie groß allerdings der Wunsch nach einem eigenen Hund ist, habe ich bisher noch nicht erwähnt. Und so kam es, dass ich Flo mobilisiert habe und wir vor zwei Wochen in ein Tierheim gefahren sind. Mit der Marschrutka ging es bis an den Stadtrand und bei rund minus 20 Grad stand uns noch ein 30 Minütiger Fußmarsch bevor.
Am Tierheim angekommen ging es zunächst darum einen Eingang zu finden, bei dem man nicht sofort von rund 30 Hunden umzingelt wurde. Irgendwann konnten wir durch ein Loch im Zaun eine der beiden Besitzerinnen auf uns aufmerksam machen.
Wir wurden sofort sehr freundlich begrüßt und nach ein paar Minuten hatte ich einen kleinen schwarz-weißen Welpen auf dem Arm. Ich hatte von vorne herein gesagt, dass ich, wenn, dann nur einen kleinen Hund mitnehmen könnte und irgendwo aus einem Holzverschlag wurde dann dieses unglaublich süße Wesen herausgeholt.

Bis ich am nächsten Morgen im Tierheim ankam um sie wieder zurück zu bringen, gingen wir davon aus, dass es sich bei unserem kleinen Goldstück um einen Rüden handelte. Wir nannten ihn Scharik, was auf Russisch mit Bällchen zu übersetzen ist, oder auch Luftballon. Da sie (!) wahnsinnig unterernährt war, blähte sich ihr Bauch nach dem Essen jedes Mal gigantisch auf und es sah so aus, als würde sie jeden Moment abheben.








Allerdings fiel mir zu spät ein, dass ich das Ganze mit meiner Gastmutter hätte besprechen sollen, da ich Scharik ja auch mit zur Arbeit hätte nehmen müssen. Als sie mir dann begründete, warum sie genau das nicht will, setzte ich alles daran, eine Unterkunft während meiner Arbeitszeit zu finden. Leider war das aussichtslos.

Die Kleine lag die ganze Zeit auf meinem Schoß und der unvermeidliche Abschied am nächsten Morgen war wahnsinnig schwer. Nicht nur, weil ich darin versagt hatte mich um sie zu kümmern, sondern weil ich sie wirklich in mein Herz geschlossen hatte.

In den nicht mal vierundzwanzig Stunden bei uns kam ich kaum zum Schlafen, weil sie alle paar Stunden aus den verschiedensten Gründen aus ihrer Kiste raus wollte.
Ich habe ständig den Boden gewischt oder bin mit ihr raus gegangen, und allein das war wirklich eine heftige Erfahrung. So viel Verantwortung für ein Tier hatte ich noch nie, aber der Moment, in dem sie mit aller Kraft auf meinen Schoß geklettert und eingeschlafen ist, war Entschädigung für den ganzen Stress drum herum.

Im Tierheim selbst hat mich dann auch noch einer der Hunde gebissen. Nicht dramatisch, aber drei fette blaue Flecken und ein kleiner Schock war das Ergebnis.

Woran ich bei der ganzen Hundeplanung nicht gedacht hatte war, das mit meiner zukünftigen Vermieterin abzuklären. Da Flo ab dem 20. Dezember überglücklich zurück nach Deutschland fliegt brauche ich eine neue Unterkunft. Über eine gute Freundin meiner Gastmutter bin ich dann vor ein paar Wochen zum Kaffee trinken bei einer Mutter und ihrer 17-jährigen Tochter gelandet. Sie studiert hier in der Stadt, ihre Mutter aber will nach Irkutsk ziehen, aus beruflichen Gründen. Ich würde dann mit ihrer Tochter in einer großen, super zentralen, allerdings etwas lauten Wohnung leben. Beim ersten Treffen hätte ich sie als schüchterne Siebzehnjährige eingeschätzt. Vor einer Woche habe ich sie dann noch mal zu mir eingeladen und fast nicht wieder erkannt. Ich denke wir werden gut miteinander klar kommen.

Inzwischen hole ich die Kinder eigentlich immer mit dem Schlitten aus dem Kindergarten ab. Meistens machen wir noch einen Schlenker am Spielplatz vorbei, der hier auch bei minus 20 Grad noch attraktiv ist.
Interessant in Bezug auf die Kälte ist, dass ich es mir viel schlimmer vorgestellt habe. Das liegt aber an der eher trockenen Luft. Daher können die Leute hier gut mit den Minusgraden umgehen. Das einzig schmerzhafte ist der Wind, den wir Dank der Nähe zum Baikal haben.

Eingekauft wird hier viel auf Märkten. Im Winter sind diese überwiegend überdacht.




Ab und zu bekomme ich von Mama kurze SMS über die ich mich jedes Mal aufs Neue freuen kann.



Ein sehr beliebter Sport ist gerade wenn es noch nicht soooo kalt ist, das Schlittschuhlaufen. Dazu gibt es einige Plätze an denen das Laufenkostenlos ist. Viele Leute hier haben eigene Schlittschuhe und sind auch dementsprechend gut und schnell unterwegs auf dem Eis. Letzte Woche habe ich mich mit Seseg und meinen beiden Mädels aufs Eis gewagt. Allerdings nur in Straßenschuhen, da wir keinen Ausweis dabei hatten und uns deswegen keine Schlittschuhe ausleihen durften.






Ansonsten besteht mein Alltag aus Kochen, Puzzeln, Verstecken oder Fangen spielen, Vater-Mutter- Kind, oder Schlittenfahren.

Das Highlight der letzten Wochen war aber der Ausflug nach Irkutsk mit fünf Freunden.
Nach einem ganzen Haufen Organisation im Voraus, die sich aber nur um die Buchung des Zuges drehte, haben wir uns Freitagabend in den Nachtzug nach Irkutsk gesetzt.




Morgens um halb sechs kamen wir in Irkutsk an und haben uns erst mal zum wach werden in das nächste Kaffee gesetzt. 




Da wurde dann eine Liste gemacht, was wir hier so alles vorhaben:



TO DO:

-Find a hostel/ place to sleep
-Flo needs Shoes
-Daniel needs a jogging suit
-Pia needs a jacket
-Aquarium
-Museum
-Carl-Marks-Boulevard
-Party-hardy
-Restaurant- Domino because of Blini

Bis auf das Städtische Aquarium konnten wir auch alles abhaken.

Nachmittags hatten wir dann auch noch einen Schlafplatz gefunden. Und mussten statt 700 nur 500 Rubel pro Person zahlen. Das sind umgerechnet rund 18 Euro.






Abends sind wir  noch in einen Club gegangen, in dem zwar erschreckend viele alte Leute, aber dafür ein kleiner Electrofloor war. Den habe ich eigentlich nur verlassen um auf die Toilette zu gehen oder meine Freunde zu suchen.
Ich habe die ganze Nacht getanzt und es einfach nur genossen.

Am nächsten Morgen sind die meisten verkatert aufgewacht. Allerdings hatte sich nachts im Suff ein Freund von uns verabschiedet. Da er Freunde in der Stadt hatte und noch nicht schlafen wollte erfuhren wir erst am Nachmittag, was er den ganzen Tag getrieben hatte.







Den Sonntag haben wir dann mit Sightseeing verbracht und sind einfach mal zu Fuß bei minus 11 Grad durch die Stadt gewandert.

Meine Laune ist dann irgendwann ordentlich abgesackt und ich habe mich mit Seseg in einem Internetcafee aufgewärmt.
Nach knapp 20 Minuten kamen die Anderen dann doch auch zurück und wir sind noch etwas essen gegangen. Und dann ging es auch schon wieder zurück zum Bahnhof.

Die Zugfahrt, war das vermutlich eindrucksvollste der ganzen Reise. Wir sind mehr oder weniger auf den billigen Plätzen unterwegs gewesen. Um uns herum saßen eine Menge Männer. Ich habe mich deutlich unwohl gefühlt, beobachtet und voller Sorge um meine Tasche, schlecht geschlafen. Es war kalt und ich kann mich vermutlich beim Zugpersonal für meine Erkältung bedanken. Auf der Rückfahrt wiederum haben wir alle nach Luft zum Atmen (vergeblich) gesucht, so stickig und heiß war es.

Den Sonntag haben wir dann mit Sightseeing verbracht und sind einfach mal zu Fuß bei minus 11 Grad durch die Stadt gewandert.

Meine Laune ist dann irgendwann ordentlich abgesackt und ich habe mich mit Seseg in einem Internetcafe aufgewärmt.
Nach knapp 20 Minuten kamen die Anderen dann doch auch zurück und wir sind noch etwas essen gegangen. Und dann ging es auch schon wieder zurück zum Bahnhof.

Die Zugfahrt, war das vermutlich eindrucksvollste der ganzen Reise. Wir sind mehr oder weniger auf den billigen Plätzen unterwegs gewesen. Um uns herum saßen eine Menge Männer. Ich habe mich deutlich unwohl gefühlt, beobachtet und voller Sorge um meine Tasche, schlecht geschlafen. Es war kalt und ich kann mich vermutlich beim Zugpersonal für meine Erkältung bedanken. Auf der Rückfahrt wiederum haben wir alle nach Luft zum Atmen (vergeblich) gesucht, so stickig und heiß war es.











Seit gestern hüte ich wieder das Bett, aber werde hoffentlich ab Morgen wieder arbeiten können. 

Donnerstag, 22. November 2012

Vorwarnung

Hallo ihr lieben treuen Leser,

heute sind es drei Monate im fernen Sibirien und ich komme seit Tagen nicht dazu einen neuen Blogeintrag zu verfassen. Da ich dieses Wochenende nach Irkutsk reise werdet ihr euch auch noch etwas gedulden müssen.

Ganz liebe Grüße, gerade von der Arbeit (die Kinder halten mich auf Trapp!;) )

Mittwoch, 7. November 2012

Aus der Provinz.


Bis auf mein Gewicht war die letzte Woche eher unter, als überdurchschnittlich.
Angefangen damit, dass ich aufgrund von zu niedrigem Blutdruck und dem Verlust meines Piercings von meinem sicheren Sitzplatz auf dem Badewannenrand nach einem Ohnmachtsanfall aus einem wunderbaren Traum, IN der Badewanne aufgewacht bin. Mein Kopf seit dem mit dem, wohl heftigen Aufprall zu kämpfen hat. Man könnte meinen mir wäre langweilig.

Vor drei Tagen bin ich mit Sack und Pack bei meinem deutschen Freund Flo aufgelaufen. Begleitet von einem netten Taxifahrer, der mir ein Video von seinem 6 jährigen Sohn zeigte und danach meine Handynummer haben wollte habe ich meinen Haushalt bei Rita innerhalb von 30 Minuten komplett aufgelöst. Zugegeben, das ging alles sehr schnell. Um der Reihe nach zu gehen...

Von dem Privatsphäre-Problem meinerseits habe ich ja schon von einiger Zeit erzählt.
Dazu kamen noch ein paar Kleinigkeiten, mit denen ich hätte leben können aber um ein Aufstauen zu vermeiden, war ein Gespräch mit Rita geplant. Dabei sollten mich meine Gastmutter und mein Gastpapa unterstützen, da mein Russisch lange nicht ausreicht, um solche Dinge zu formulieren.
Aus irgendeinem Grund schien Rita aber nicht an einem Gespräch interessiert zu sein und fand immer wieder einen Weg, um dem auszuweichen. Daraufhin rief meine Gastmama sie nach ein paar Tagen an. Das Ergebnis des Telefonates war, dass ich an meiner Wahrnehmung zweifeln musste und gar keine Lust mehr hatte überhaupt noch eine Nacht mit Rita unter einem Dach zu verbringen.
Anstatt eines ruhigen Gesprächs konnte Rita gar nicht mehr aufhören sich über mich zu beschweren. Es schien, als wäre ich die furchtbarste Mitbewohnerin, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Ich hatte meine Schuhe nicht ordentlich geputzt, das Licht im Bad angelassen, ihre Marmelade gegessen und NIE das Geschirr gespült. Das ist noch lange nicht alles denn die Liste, der meiner Meinung nach, absurden Vorwürfe,zieht sich noch in die Länge.

Ich hoffe allerdings nicht mehr lange obdachlos zu sein. In den nächsten Tagen wird hoffentlich ganz Ulan- Ude darüber nachdenken, ob sie sich eine kleine deutsche Blondine als Untermieterin antun wollen. Wobei es mir hauptsächlich um eine feste Bleibe für den Rest der Aupair -Zeit geht. Flo ist wirklich ein super Kerl und hier eigentlich meine Hauptbezugsperson/Gesprächspartner/engster Freund-, dem ich sehr dankbar bin, dass er mich hier so herzlich aufgenommen hat.

Gerade lese ich von Alfred Adler „ Menschenkenntnis“. Zugegeben ich bin noch relativ am Anfang, was daran liegt, dass es kein leichter Stoff ist. Aber interessant ist, dass schon ganz am Anfang der Buchtitel schon als zentrales Thema gehandelt wird, was wiederum zum Nachdenken anregt.
Mit meiner Gastmama habe ich heute über den Zusammenhang zwischen dem russischen Schulsystem und dem Mangel an Empathie gesprochen. Während in Deutschland von der 6. Klasse an das Einfühlungsvermögen in Form von Erörterungen geprüft wird, steht das überhaupt nicht im Lehrplan der russischen Schulen. Vermutlich hat das seinen Ursprung in der Geschichte der Sowjetzeit. Lenin wusste ganz genau, dass die Geisteswissenschaftler eine Gefahr für ihn bedeuten könnten. Daraus folgte eine gezielte Einschränkung des selbstständigen Denkens.
Man sollte sich gar keine Gedanken darum machen, wie es besser sein könnte. Tragisch ist das sich daran noch nichts geändert hat.
Rita tat sich beispielsweise wahnsinnig schwer damit zu verstehen, dass meine Eltern kein Russisch sprechen, als ob es zur Allgemeinbildung gehören würde ein paar Brocken Russisch zu verstehen.
Oder auch bei Kommunikationsschwierigkeiten und dem naheliegenden langsamen Wiederholen des Satzes oder einfacherem Formulieren, wird oft entweder doppelt so schnell oder doppelt so viel gesagt.

Ich muss in diesem Zusammenhang klar sagen, dass Ulan- Ude und die Russen/Buryaten die ich hier kennenlerne vermutlich nicht vergleichbar sind mit den Einwohnern aus größeren Städten Russlands. Wir leben hier in der russischen Provinz und sind sicherlich weit mehr russischen Eigenheiten ausgesetzt, als wir es im fast schon europäischen Moskau oder St. Petersburg wären.
Eine kleine aber wichtige Korrektur zu meinen vergangen Einträgen ist zudem auch, dass meine Aussagen über „die Russen“ nicht auf alle zutrifft, aber doch im Kollektiv meine Beobachtungen sich meist bestätigen.

Die absolute Vorfreude habe ich, dank meiner Reise nach Deutschland am 5. Dezember. Ich werde allerdings nur in Berlin und Hamburg sein. Denn in Hamburg werde ich beiz „Struss und Partner“ sein(http://www.strussundpartner.de/index.php). Dort erwartet mich eine ausführliche Studienberatung und danach habe ich hoffentlich einen etwas genaueren Plan, wie es im Sommer 2013 weiter geht. Außerdem sehe ich meine Mama, die mich zu diesem Termin begleitet. Auf dem Rückweg habe ich noch einen Tag in Berlin Zeit, den ich dann mit ganz vielen tollen Menschen verbringen darf. Obwohl es natürlich gefährlich ist und ich einen erneuten Abschied vor mir habe überwiegt die Vorfreude. Dazu kommt, dass ich mich auch wieder auf zu Hause, in dem Fall Russland, freue!