Mittwoch, 7. November 2012

Aus der Provinz.


Bis auf mein Gewicht war die letzte Woche eher unter, als überdurchschnittlich.
Angefangen damit, dass ich aufgrund von zu niedrigem Blutdruck und dem Verlust meines Piercings von meinem sicheren Sitzplatz auf dem Badewannenrand nach einem Ohnmachtsanfall aus einem wunderbaren Traum, IN der Badewanne aufgewacht bin. Mein Kopf seit dem mit dem, wohl heftigen Aufprall zu kämpfen hat. Man könnte meinen mir wäre langweilig.

Vor drei Tagen bin ich mit Sack und Pack bei meinem deutschen Freund Flo aufgelaufen. Begleitet von einem netten Taxifahrer, der mir ein Video von seinem 6 jährigen Sohn zeigte und danach meine Handynummer haben wollte habe ich meinen Haushalt bei Rita innerhalb von 30 Minuten komplett aufgelöst. Zugegeben, das ging alles sehr schnell. Um der Reihe nach zu gehen...

Von dem Privatsphäre-Problem meinerseits habe ich ja schon von einiger Zeit erzählt.
Dazu kamen noch ein paar Kleinigkeiten, mit denen ich hätte leben können aber um ein Aufstauen zu vermeiden, war ein Gespräch mit Rita geplant. Dabei sollten mich meine Gastmutter und mein Gastpapa unterstützen, da mein Russisch lange nicht ausreicht, um solche Dinge zu formulieren.
Aus irgendeinem Grund schien Rita aber nicht an einem Gespräch interessiert zu sein und fand immer wieder einen Weg, um dem auszuweichen. Daraufhin rief meine Gastmama sie nach ein paar Tagen an. Das Ergebnis des Telefonates war, dass ich an meiner Wahrnehmung zweifeln musste und gar keine Lust mehr hatte überhaupt noch eine Nacht mit Rita unter einem Dach zu verbringen.
Anstatt eines ruhigen Gesprächs konnte Rita gar nicht mehr aufhören sich über mich zu beschweren. Es schien, als wäre ich die furchtbarste Mitbewohnerin, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Ich hatte meine Schuhe nicht ordentlich geputzt, das Licht im Bad angelassen, ihre Marmelade gegessen und NIE das Geschirr gespült. Das ist noch lange nicht alles denn die Liste, der meiner Meinung nach, absurden Vorwürfe,zieht sich noch in die Länge.

Ich hoffe allerdings nicht mehr lange obdachlos zu sein. In den nächsten Tagen wird hoffentlich ganz Ulan- Ude darüber nachdenken, ob sie sich eine kleine deutsche Blondine als Untermieterin antun wollen. Wobei es mir hauptsächlich um eine feste Bleibe für den Rest der Aupair -Zeit geht. Flo ist wirklich ein super Kerl und hier eigentlich meine Hauptbezugsperson/Gesprächspartner/engster Freund-, dem ich sehr dankbar bin, dass er mich hier so herzlich aufgenommen hat.

Gerade lese ich von Alfred Adler „ Menschenkenntnis“. Zugegeben ich bin noch relativ am Anfang, was daran liegt, dass es kein leichter Stoff ist. Aber interessant ist, dass schon ganz am Anfang der Buchtitel schon als zentrales Thema gehandelt wird, was wiederum zum Nachdenken anregt.
Mit meiner Gastmama habe ich heute über den Zusammenhang zwischen dem russischen Schulsystem und dem Mangel an Empathie gesprochen. Während in Deutschland von der 6. Klasse an das Einfühlungsvermögen in Form von Erörterungen geprüft wird, steht das überhaupt nicht im Lehrplan der russischen Schulen. Vermutlich hat das seinen Ursprung in der Geschichte der Sowjetzeit. Lenin wusste ganz genau, dass die Geisteswissenschaftler eine Gefahr für ihn bedeuten könnten. Daraus folgte eine gezielte Einschränkung des selbstständigen Denkens.
Man sollte sich gar keine Gedanken darum machen, wie es besser sein könnte. Tragisch ist das sich daran noch nichts geändert hat.
Rita tat sich beispielsweise wahnsinnig schwer damit zu verstehen, dass meine Eltern kein Russisch sprechen, als ob es zur Allgemeinbildung gehören würde ein paar Brocken Russisch zu verstehen.
Oder auch bei Kommunikationsschwierigkeiten und dem naheliegenden langsamen Wiederholen des Satzes oder einfacherem Formulieren, wird oft entweder doppelt so schnell oder doppelt so viel gesagt.

Ich muss in diesem Zusammenhang klar sagen, dass Ulan- Ude und die Russen/Buryaten die ich hier kennenlerne vermutlich nicht vergleichbar sind mit den Einwohnern aus größeren Städten Russlands. Wir leben hier in der russischen Provinz und sind sicherlich weit mehr russischen Eigenheiten ausgesetzt, als wir es im fast schon europäischen Moskau oder St. Petersburg wären.
Eine kleine aber wichtige Korrektur zu meinen vergangen Einträgen ist zudem auch, dass meine Aussagen über „die Russen“ nicht auf alle zutrifft, aber doch im Kollektiv meine Beobachtungen sich meist bestätigen.

Die absolute Vorfreude habe ich, dank meiner Reise nach Deutschland am 5. Dezember. Ich werde allerdings nur in Berlin und Hamburg sein. Denn in Hamburg werde ich beiz „Struss und Partner“ sein(http://www.strussundpartner.de/index.php). Dort erwartet mich eine ausführliche Studienberatung und danach habe ich hoffentlich einen etwas genaueren Plan, wie es im Sommer 2013 weiter geht. Außerdem sehe ich meine Mama, die mich zu diesem Termin begleitet. Auf dem Rückweg habe ich noch einen Tag in Berlin Zeit, den ich dann mit ganz vielen tollen Menschen verbringen darf. Obwohl es natürlich gefährlich ist und ich einen erneuten Abschied vor mir habe überwiegt die Vorfreude. Dazu kommt, dass ich mich auch wieder auf zu Hause, in dem Fall Russland, freue!

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