Ich schiebe diesen Eintrag jetzt schon
seit Wochen vor mir her. Zunächst war es nur aus Mangel an Zeit und
je mehr Zeit vergangen ist desto mehr hätte ich schreiben müssen.
Meine letzten Einträge haben nicht
unbedingt von Freude und Zufriedenheit gehandelt.
Das wird auch der Folgende vermutlich
nicht. Es liegt allerdings nicht an der Tatsache, dass ich mich hier
Grundsätzlich unwohl fühle.
Mit meinem Job als Aupair habe ich
vermutlich wirklich großes Glück in einer Familie gelandet zu sein,
in der ich mich so wohl fühle. Zu meiner Gastmutter habe ich eine
wirklich freundschaftliche Beziehung und bin unendlich dankbar, dass
sie hier so eine beständige Bezugsperson ist.
Manchmal nehme ich sie einfach in den
Arm und wenn ich nicht von mir aus sage, was mir durch den Kopf geht,
dann lässt sie es einfach so stehen und fängt mich irgendwo einfach
auf.
Grundsätzlich haben wir ein sehr
offenes Verhältnis und ich habe eigentlich keine Bedenken ihr etwas
zu erzählen, selbst wenn es persönliche Dinge sind.
Mein Gastpapa hat bisher auf meinem
Blog wenig bis gar keine Aufmerksamkeit bekommen, was nicht bedeutet,
dass er das in meinem Leben hier nicht tut. Er ist sicherlich ehr der
Ruhepol zu Hause, aber trotzdem ein Gesprächspartner und vor allem
auch eine Art Lehrer. Ein sehr schlauer und Gebildeter Mann, zu dem
ich in gewisser Weise aufschaue.
Die beiden Mädchen sind zwei
Glückliche Kinder, die mich vor Herausforderungen stellen, aber so
viel Liebe geben. Vermutlich ist das eine Eigenschaft von Kindern die
Menschen um sie herum so bedingungslos zu akzeptieren, aber die
Beiden zeigen mir das jeden Tag aufs neue.
Ich habe hier angefangen zu verstehen,
dass es in Ordnung ist Fehler zu machen. Zum einen, weil die Kinder
es verzeihen und zum Anderen, weil die Erwachsenen nur darauf warten,
dass ich es beim nächsten Mal besser mache.
Die schwierigen Situationen sind die,
in denen die Bemühungen nicht erkannt werden und gewisse Dinge als
völlig selbstverständlich gesehen werden.
Ich habe den Eindruck, dass die
Menschen hier ein gewisses Misstrauen Fremden gegenüber haben. Und
ich würde eigentlich erwarten, dass mir als Fremde hier zugestanden
wird nicht immer alles richtig zu machen. Letzten Endes scheint es
aber andersherum zu sein. Weil ich aus Deutschland komme wird
erwartet, dass ich mich richtig verhalte.
Es ist ein unbekannter Druck, den so
ein Misstrauen auslöst. Ich bemühe mich so sehr, aber es scheint
Aussichtslos, weil das sowieso keiner sieht.
Ich würde mich als Mensch beschreiben,
der durch Bestätigung über sich hinaus wächst.
Auch wenn jemand mir etwas nicht
zutraut, dann will ich es beweisen, um am Ende zu hören, dass man
sich in mir getäuscht hat.
Viele fragen mich, wieso ich nach
Russland gekommen bin. Meine Standard Antwort ist, dass ich mit sechs
Jahren angefangen habe Ballet zu tanzen. Mein Lehrer, wie auch die
Mädchen mit mir waren Russen. Da auch im Unterricht viel Russisch
gesprochen wurde, hatte ich irgendwann das Bedürfnis zu verstehen,
was um mich herum gesprochen wird. Und so fing ein steiniger Weg in
der Schule an. Ich war nie gut im Russisch Unterricht. Mit meinem
Lehrer hatte ich zu kämpfen und war so oft davor aufzugeben.
Irgendwann habe ich es tatsächlich. Und habe nach der 11. Klasse
Russisch mit einer vier abgewählt.
Es ist nicht meine Art Dinge so fallen
zu lassen und mit dem Abitur stand für mich fest, dass ich einen
Haken hinter diese Sprache setzen möchte.
Ich wollte es allen beweisen. Vor allem
meinem Russisch Lehrer, der mir zumindest nie das Gefühl gegeben
hat, dass ich es schaffen kann.
Obwohl ich diese Sprache doch immer so
gerne mochte.
Gestern Abend hat mich das Mädchen mit
dem ich nach Flo's Auszug zusammen gezogen bin gefragt, ob es
eigentlich noch andere Gründe gab hier her zu kommen.
Ich musste eine Weile nachdenken, so
das sie mich noch Fragte, ob es mir nur um die Erfahrung ging. Ich
fand keine richtige Antwort. Für mich steht nur fest, dass es genau
so sein soll.
Obwohl hier alles so anders ist, als
ich es mir vorgestellt habe, ständig Prüfungen auf mich zu kommen
mit denen ich teilweise wirklich zu kämpfen habe, ist es das wofür
ich mich entschieden habe und das bleibt es auch! Ja es ist kalt
hier. Und ja ich habe auch bisher noch keinen anständigen Mann getroffen. Es gibt vieles, das mir nicht gefällt. Am Ende werde ich
aber trotzdem mit etwas Wehmut nach Hause fahren. Alles was ich habe,
ist das was ich daraus mache.
Ich spreche hier weniger, was daran
liegen wird, dass ich mich noch nicht so gut Ausdrücken kann wie auf
Deutsch oder Englisch. Mein Ventil sind meine Skypetelefonate, die
oft bis tief in die Nacht andauern.
Vor ein paar Tagen hatte ich zum ersten
Mal seid seinem Auszug wieder richtig Kontakt zu Flo.
Er ist bisher der Einzige Mensch, der
wirklich nachvollziehen kann wie es mir hier geht, weil er es mit
eigenen Augen gesehen und gelebt hat. Seid seiner Rückreise nach
Deutschland scheint es ihm unheimlich gut zu gehen. Er sagt von sich
selber, dass er so viel redet, wie im ganzen letzten halben Jahr
nicht. Oder isst genüsslich eine Falaffel vor der Kamera, dass mir
sogar hier das Wasser im Mund zusammen läuft.
Inzwischen sind es vier Monate hier in
dieser anderen Welt. Soziale Netzwerke oder diese wunderbaren
Erfindungen wie Skype und E- Mail sorgen dafür, dass ich den Kontakt
nach Hause nicht verliere, aber auch nicht wirklich ankomme in meinem
neuen Leben.
In Facebook habe ich über 1000
Freunde. Ich kenne jeden. Das ich gelernt habe, was Freundschaft
wirklich bedeutet habe ich in den letzten Einträgen schon erzählt.
Das ich hier aber eigentlich nur eine gleichaltrige Freundin habe ist
wirklich ungewohnt.
Auf der einen Seite lasse ich neue
Kontakte nicht zu und klammere mich an die alten und auf der anderen
Seite leide ich darunter.
Wieder ein Mal ein Moment, in dem nur
ich etwas ändern kann.
Seid zwei Tagen liege ich wieder krank
im Bett. Dadurch setze ich mich zwangsläufig wieder mit vielen
Dingen auseinander, die ich sonst ganz gerne vor mich weg geschoben
habe.
Die ersten Bewerbungen für Praktika in
Deutschland habe ich gestern rausgeschickt.
Darauf Folgen Unibewerbungen in
Hamburg, Erlangen und Holland. Bisher ist es noch nicht mal klar, ob
ich es irgendwo schaffen werde.
Von Mittwoch bis Sonntag hatte ich vier
Tage lang Urlaub. Ich war spontan mit der Bahai Gemeinde in einer Art
Jugendherberge. Dort habe ich zum ersten Mal ununterbrochen Russisch
gesprochen und deutlich erkennbare Fortschritte gemacht.
Da aber die Bahaitexte schon auf
deutsch und Englisch wirklich anspruchsvoll sind war es wirklich
schwer mich in dieser Hinsicht einzubringen. Deswegen habe ich mit
den Kindern gespielt, getanzt, habe Fotos gemacht oder Gesungen,
gekocht oder geputzt, Hauptsache irgendwie geholfen.
Die vier Tage waren wirklich schön und
haben mir sehr gut getan. Das lag vermutlich daran, dass diese
Gemeinschaft unter den Bahais genau so, wie zu Hause war, deshalb
sehr vertraut.
Nach meinem letzten Blogeintrag kam
ziemlich schnell Weihnachten auf uns zu. Wir hatten ein schönes
Fest. Zu Besuch kamen einige Freunde der Familie. Es wurde groß
gekocht und ich habe es einfach nur genossen. Das darauf folgende
Silvester war weniger spektakulär. Obwohl es zu dem größten
Feiertag des Landes gehört, oder vielleicht gerade deswegen, hat es
sich als wahnsinnig kompliziert herausgestellt ein schönes Fest zu
organisieren und am Ende saß ich mit Arielle (eine Amerikanische
Studentin) und Seseg (meine engste Freundin) auf Arielles Sofa. Dort
haben wir gegessen und das Feuerwerk angesehen. Um halb eins war ich
müde und habe geschlafen.
Gedanklich bin ich viel in der
Vergangenheit. Dinge, die ich bisher vor mir hergeschoben habe
arbeite ich auf. Der Tod meiner Oma beschäftigt mich sogar Nachts
wenn ich schlafe. Aber ich habe das Gefühl, dass ich das brauche.
Bald ist es ein Jahr her. Kurz danach habe ich mein ABI geschrieben.
Da blieb keine Zeit zu trauern. Obwohl meine Noten wirklich traurig
waren.
Jetzt heißt es daraus etwas zu machen.
Ich beschäftige mich also viel damit wie es in Deutschland für mich
weiter geht. Demnächst werde ich mit meinem Führerschein anfangen.
Wenn ich hier fahren kann, dann in
Deutschland mit links.
Außerdem will ich die zugenommenen Kilos der letzten Monate, zumindest aus dem Gesicht wieder
wegbekommen und hoffe meine „Gastschwester“ Motivieren zu können
mit mir Sport zu machen.
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